Ärger mit dem Auszubildenden

„Klären Sie die Erwartungen”

Immer wieder gibt es Probleme zwischen den Azubis und ihren zuständigen Ausbildern. sekretaria sprach mit Ausbildungsexperte Carsten Deters darüber, wie Unternehmen die Ausbildungsbedingungen verbessern können.

CARSTEN DETERS
ist Ausbildungsberater für kleine und mittelständische Unternehmen sowie für Großunternehmen und autorisierter Prozessberater des Förderprogramms  unternehmensWert:Mensch. (www.ausbildungscoaching.com)

sekretaria Magazin: Herr Deters, was sind denn die häufigsten Ursachen, wenn es Schwierigkeiten mit den Auszubildenden gibt??

Carsten Deters: Am Beginn der Ausbildung entstehen Schwierigkeiten typischerweise, weil Ausbilder und Auszubildender die gegenseitigen Erwartungen zur Zusammenarbeit und zur Art und Weise des persönlichen Umgangs sowie das Ausbildungsziel nicht austauschen. Gerade zu Beginn geht es noch gar nicht um das Fachliche, sondern eher um Schaffung von Sicherheit und Vertrauen. Für die Auszubildenden ist das ja in der Regel der Übergang von der Schule in die Berufswelt. Das bedeutet für sie starke Veränderungen und darum sind anfangs Halt, Orientierung und Zuverlässigkeit wichtig.

Wann ist denn richtige Zeitpunkt, um über die gegenseitigen Erwartungen zu sprechen?

Das sollte am besten gleich in der ersten Woche geschehen. Dafür sollte sich der Ausbilder auch ausreichend Zeit nehmen und genau solche Dinge wie auch Organisatorisches detailliert besprechen. Wenn in einem Unternehmen eine größere Gruppe Auszubildender neu anfängt, dann kann es auch sinnvoll sein, dafür einen ganzen Tag in Form eines Workshops zu nutzen. Wird ein solches Gespräch erst später geführt, kann es noch in der ersten Zeit zu Irritationen kommen.

Oft treten die Probleme auch erst später auf, nachdem der Start eigentlich gut verlaufen ist.

Die Erwartungen an die jungen Leute werden ja immer größer. Sie sollen Wissen aufbauen und Fertigkeiten erwerben und sie sollen auch auf der menschlichen Ebene zu selbstständigen Persönlichkeiten entwickelt werden. Und das in einer Lebensphase, die zu den turbulentesten gehört. Das bedeutet, dass sich der oder die Auszubildende noch stark verändern kann und das hat Auswirkungen auf Verhalten und Leistung. Aber auch die Ausbilder verändern sich im Lauf der Jahre. Es gibt keinen Status quo. Alles muss immer wieder neu betrachtet werden. Es geht also meist gar nicht um fachliche Probleme, sondern eher um zwischenmenschliche.

Wie kann eine Ausbildung so gestaltet werden, dass die Erwartungen möglichst erfüllt werden und der Auszubildende auch das Ziel, nämlich die Ausbildungsprüfung zu bestehen, erreicht?

Das Unternehmen muss einen detaillierten betrieblichen Ausbildungsplan über den gesamten Jahrgang erstellen, aus dem klar hervorgeht, was wann und wie passiert und in welcher Abteilung das im Unternehmen am besten vermittelt wird. Die für die Ausbildung Verantwortlichen und die Mitarbeiter, die die eigentliche fachliche Ausbildung durchführen, müssen wissen, was zu tun, was ihr Ausbildungsauftrag ist. Es geht ja bei der Ausbildung nicht darum, dass etwas nachgemacht wird. Die Auszubildenden sollen die ganzen Geschäftsprozesse verstehen. Die Kollegen und Kolleginnen müssen also wissen, was sie vermitteln, wie sie es vermitteln und wie sie den Lernerfolg kontrollieren. Ergebnisse und Verbesserungsmöglichkeiten müssen kontinuierlich mit dem Auszubildenden besprochen werden.

Mitarbeiter, die ausbilden, sind heute mehr als Lernbegleiter oder Lerncoach zu verstehen und müssen für diese Rolle und Aufgabe vorbereitet werden. Sie müssen die Ausbildungsziele kennen und wissen, wie sie überprüft werden. Wie die Ergebnisse mit dem Auszubildenden besprochen und Verbesserungen abgeleitet werden. Sie müssen motivieren und führen, sind jedoch keine Führungskräfte. Meist nehmen die Mitarbeiter, die in Unternehmen die Ausbildung vornehmen bei den Kammern an der Ausbildungseignungsprüfung teil. Tatsächlich aber muss nur ein Mitarbeiter im Betrieb diese Prüfung nachweisen, um die formalen Voraussetzungen zu erfüllen. Inhaltlich wird dabei das ganze Spektrum der Ausbildung beleuchtet, was nicht alle benötigen. Viel zielgerichteter und nachhaltiger ist es, in die Ausbildungsmannschaft in Form von Ausbilder-Workshops zu investieren, um sie dort für diese Aufgaben, also für die Lernbegleitung, professionell zu qualifizieren.

Manche Unternehmen stellen den jungen Menschen sogenannte Ausbildungspaten an die Seite. Was verbirgt sich dahinter?

Ausbildungspate kann jemand sein, der den Auszubildenden durch den gesamten Ausbildungsgang, also drei oder dreieinhalb Jahre, als Mentor begleitet. So sieht das Unternehmen, wie sich der Auszubildende entwickelt, und bekommt frühzeitig mit, wenn sich etwas verändert.

Welche Kompetenzen und Soft Skills muss jemand für diese Rollen mitbringen?

Wichtig ist das Interesse daran, jungen Menschen auf einem Teil ihres Weges zu begleiten und Spaß an deren Entwicklung zu haben. Wenn der Ausbilder darauf nicht wirklich Lust hat, wirkt sich das auf die Ausbildung und den Auszubildenden aus. Ansonsten sollten Empathie und eine gute Wahrnehmung vorhanden sein, um die Entwicklung des Auszubildenden beobachten zu können. Dann gilt es, diese Wahrnehmungen klar, präzise und zielorientiert zu kommunizieren.

Grundsätzlich: Warum lohnt es sich denn für Unternehmen, um Auszubildende zu kämpfen, auch wenn es zwischenzeitlich vielleicht Probleme gibt?

Das Unternehmen hatte ja einmal gute Gründe gehabt, diesem jungen Menschen einen Ausbildungsplatz anzubieten und mit ihm einen Ausbildungsvertrag abzuschließen. Damit hat es auch Verantwortung übernommen. Wie schon erwähnt, kann es in der Lebensphase, in der sich die Auszubildenden befinden, auch zu schwierigen Zeiten und zu Veränderungen im Verhalten kommen. Und das wirkt sich auch auf die Leistung und die Arbeitsergebnisse aus. Und das gilt es dann, gemeinsam zu durchlaufen, damit dieser junge Mensch am Ende eine gut ausgebildete Fachkraft wird und für das Unternehmen seine Leistungen erbringen kann.

Nach meiner Erfahrung lohnt es sich immer, so etwas offen und vertrauensvoll mit dem Auszubildenden zu besprechen. Während meiner Zeit als Ausbildungsleiter gab es eine Auszubildende, bei der sich das persönliche Umfeld sehr stark veränderte. Von ihrer Seite stand ein Abbruch der Ausbildung im Raum. Sie war eher introvertiert und weniger kommunikativ, aber durch den Leistungsabfall fielen diese Veränderungen schon stark auf. Wir konnten das rechtzeitig wahrnehmen, auch weil das Ausbildungspersonal auf solche Situationen von mir geschult war. Wir haben dann in direkten Gesprächen diese Phase auch auffangen können. Das war zum einen unsere Verantwortung, zum anderen haben wir das Potenzial und die Entwicklungsmöglichkeiten in diesem jungen Menschen gesehen und uns dafür eingesetzt. Und heute ist diese junge Frau eine hervorragende, leistungsstarke und zuverlässige Mitarbeiterin. Sie hatte mir später einmal gesagt, dass sie dankbar dafür war, dass wir sie in dieser Phase so begleitet hatten.

Klingt nach einer großen Aufgabe für die Unternehmen.

Das ist es. Aber auch überschaubar, wenn das Vorgehen stimmt. Ich selbst sehe die Ausbildung als eine Art Organisationsentwicklung im Unternehmen, die nicht punktuell stattfindet, sondern sich durch das ganze Unternehmen durchzieht. Das bedeutet, dass man schauen muss: „Was ist für die unterschiedlichen Beteiligten notwendig?“ Das beginnt beim Chef, geht über die Ausbildungsverantwortlichen bis zu den Mitarbeitern, die am Ende die Ausbildung tatsächlich durchführen. Wie ist die Ausbildung als Konzept bestmöglich im Unternehmen integriert? Diese Schritte zur Ausbildungsentwicklung und der Integration können sich Unternehmen auch finanziell fördern lassen. Das Förderprogramm „unternehmensWert:Mensch“ richtet sich dabei an klein und mittelständische Unternehmen und betrachtet ganz unterschiedliche Zukunftsthemen, etwa die Personalentwicklung sowie Wissen und Mitarbeiterkompetenz. Die Gestaltung der Ausbildung und Qualifizierung der Ausbilder/Facharbeiter gehört sicher zu den genannten Handlungsfeldern. Die Förderung unterstützt Unternehmen dabei finanziell, professionelle Beratungen in Anspruch zu nehmen, um das Unternehmen fit für die Zukunft zu machen, beispielsweise ihre Ausbildung so aufstellen, dass sie nachhaltig und zukunftsfähig ist. Leitfragen der Beratung können sein: „Wie kann ich die Ausbildung in meinem Unternehmen verbessern?“ und „Wie kann ich das umsetzen? Wer ist alles beteiligt? Wie kann ich die Ausbilder zielgerichtet qualifizieren?“ Mit einem entsprechenden Beratungscheck kann das Unternehmen die Kosten einer Beratung und Umsetzung bis zu 80 Prozent erstattet bekommen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Cordula Natusch.

(Quelle: sekretaria.de)